Liebe Freunde
«Bis ans Ende der Welt», würden gewiss die meisten Eltern antworten. Doch was passiert, wenn ein Kind in Not gerät, aber niemand da ist? Wir kennen das. Die soeben beschlossenen, erneuten Lockdowns in Uganda schwächen vor allem die Schwächsten. Sie brauchen dringend Hilfe. Zwar können wir die Welt nicht verändern. Doch glücklicherweise bietet unsere Berufsschule und Forstfarm «Buhweju» eine vielversprechende Erfolgsgeschichte. Wir kultivieren Brachland und bieten jungen Menschen Schutz, Bildung, Arbeit und Hilfe zur Selbsthilfe. Jetzt wäre der ideale Moment, um dieses Leuchtturm-Projekt auszubauen.
Jahr 2 im Lockdown
Weil in Uganda alle Schulen des Landes noch bis mindestens nächstes Jahr geschlossen bleiben, wirkt unsere Arbeit manchmal wie ein Kampf gegen Windmühlen. Sollte die Regierung an ihrem Ziel festhalten, erst sämtliche Schüler vor der Wiederöffnung der Schulen zu impfen, so könnten die Schulen 2022 möglicherweise noch ein drittes Jahr geschlossen bleiben.
In der Zwischenzeit tun wir, was wir können. Das ist viel und freilich doch zu wenig. Wir engagieren Lehrer für Home-Schooling in familiären Kreisen. Wir unterrichten unter freiem Himmel, in kleinen Gruppen, soweit es erlaubt ist. Wir helfen mit Essen, Wasser und Dingen, die in zunehmend verarmten Familien fehlen. Bei dieser Arbeit gibt es viele Abwägungen zu treffen. Einerseits müssen wir sicherstellen, dass wir zu jeder Zeit die geltenden Lockdown- und Hygiene-Regeln einhalten. Andererseits versuchen wir, so vielen Schützlingen wie möglich zu helfen. Gleichzeitig müssen wir unsere eigenen Möglichkeiten und Grenzen abwägen.
Das Problem bei ausserordentlichen Hilfsmassnahmen ist, dass sie rasch die Erwartung einer dauerhaften Hilfestellung nähren, der wir nicht entsprechen können. Was wir tun, soll nachhaltig funktionieren. Wir können kein Fass ohne Boden füllen. Aber wir können und wollen in die Ausbildung, in die Entwicklung und die Gesundheit unserer jungen Schützlinge investieren. Weil wir an sie glauben. Weil wir eine Familie sind. Weil wir für sie da sind und weil wir zu unserer Verantwortung stehen. Besonders jetzt brauchen sie uns.
Austausch unter Freunden
Letzte Woche erhielten wir Besuch von Freunden aus einem unweit gelegenen SOS-Kinderdorf. Es ist etwa fünf Jahre älter als unser Kids of Africa-Dorf. Ansonsten funktioniert es sehr ähnlich wie unser kleines Dorf. Es gibt viele, freundschaftliche Banden zwischen uns. Unsere Schützlinge spielen oft gemeinsam Fussball, unsere Institutionen tauschen sich gemeinsam aus. Vor den Lockdowns besuchten einige gemeinsame Schulen.
Doch das scheint lange her. Einige der ältesten Schützlinge des SOS-Kinderdorfes haben bereits einen ersten Job gefunden. Letzte Woche hielten drei von ihnen ein kurzes Referat vor unseren Schützlingen. Sie betonten, wie wichtig praktische Fertigkeiten für den nächsten Schritt sind. Das Mädchen arbeitet in der Landwirtschaft, der junge Mann arbeitet in einem Lagerhaus. Beide können von ihrem Verdienst ein unabhängiges Leben führen. Ihre Erfahrung hat unsere jüngeren Schützlinge sehr beeindruckt. Sie lauschten aufmerksam, stellten viele Fragen und vereinbar ten einen baldigen Gegenbesuch. Schöne Erfahrungen. Am Ende des Besuches stand ein gemeinsames Lagerfeuer, bei dem Brot-Schlangen und Erzeugnisse unserer kleinen Farm verzehrt wurden.
Wasser für Buhweju
Unsere Aufforstung in Buhweju erweist sich während Ugandas anhaltender Lock-Downs als willkommenes Refugium. Immer mehr Schützlinge von uns zieht es dorthin. Das gute Klima, die Höhenluft und die körperliche Farm- und Forstarbeit sind reizvoll. Besonders in Abwesenheit von regulärem Unterricht. Während der Trockenzeit ist allerdings die Wasserversorgung prekär. Dann müssen die Jungen mit Kanistern ins Tal wandern. Dort stehen sie lange ans, um Wasser zu pumpen, welches sie anschliessend wieder auf unseren Hügel tragen und dort abkochen.
In den kleinen Flüssen und Bächen der Region kann man natürlich auch nach Gold schürfen. Zwar ist die Ausbeute zu gering für eine kommerzielle Ausbeute, doch es macht Spass und schärft die Sinne.
In der Zwischenzeit haben wir eine Vereinbarung mit Ugandas National Water Authority geschlossen. Sie erlaubt uns, eine Rohrverbindung zur nächstgelegenen Pumpstation in circa 5 Kilometer Entfernung anzulegen und von dort in Zukunft direkt Wasser zu beziehen. Natürlich ist die Arbeit an den entsprechenden Rohrleitungen harte Arbeit. Aber immerhin ist es Arbeit und dafür sind unsere Schützlinge, sind wir alle am Ende eines langen Tages jeweils dankbar.
Ich hoffe, es geht Ihnen gut. Ich könnte diesen Brief verlängern, könnte Ihnen von unseren jüngsten Schützlingen oder unserer Arbeit in verschiedenen Regionen Ugandas berichten. Doch ich will es aufheben für einen späteren Brief. In der Zwischenzeit sende ich Ihnen – besonders auch im Namen der vielen Schützlinge – sehr herzliche Grüsse aus Uganda
Stets Ihr
Burkhard Varnholt