Liebe Freunde
Während die Lockdowns Afrika’s Wirtschaft ohne Auffangnetz dezimieren, beweist die Bevölkerung Stärke. Denn die Haltung vieler Afrikaner/innen basiert oft auf einem tiefen Vertrauen in existenziellen Fragen. Das verleiht ihnen Zuversicht, Mut und Resilienz. Ein unschätzbarer Vorteil in der Krise.
Während hingegen im globalen Norden die trügerische Sicherheit mächtiger Auffangnetze wie Staat, Krankenkassen oder Kreditkarte angesichts eines unbekannten Virus überfordert wirkt, sehen wir, dass in reichen Ländern aus dem Kontrast zum vormalige Gefühl von Sicherheit umso mehr Angst vor dem Unsicheren entstehen kann. In Afrika hingegen hilft oft eine Lebenshaltung vor jener Angst vor Unsicherheit. Sie stärkt auch Kids of Africa. Wir werden es brauchen. Denn nach dem Lockdown rollt eine grosse Welle der wirtschaftlichen Not durch viele Länder. Ein Kurzbericht aus Woche 14 in Quarantäne.
Die grösste Herausforderung
Verrückt, eigentlich. Während in Uganda bislang niemand am Corona-Virus gestorben ist und die junge Bevölkerung von 40 Millionen Menschen aktuell 849 Infizierte zählt, erlebt das Land eine dramatische Übersterblichkeit – wegen der Kollateralschäden der Lockdowns. Hunger, Malaria oder Darmkrankheiten, die oft nicht mehr behandelt werden, fordern, die einen hohen Zoll. Der Tod fordert sein Trinkgeld. Doch Lockerung liegt in der Luft. Anders geht es auch nicht. Doch wir wissen auch: nach der Lockerung wird eine beispiellose Welle der Not begegnen. Menschen sind verarmt, geschwächt, ohne Job und Reserven. Unsere vier Schulen werden kaum in der Lage sein, Schulgebühren zu erheben.
Für unsere nachhaltige Entwicklungsarbeit steht die wirtschaftlich grösste Herausforderung nun erst bevor.
Dorfleben, Woche 14
Reparieren
Unsere kostbare Wasserversorgung wurde durch die Unwetter der letzten Wochen mitgenommen, so dass wir kein Grundwasser mehr pumpen konnten. Glücklicherweise sind unsere Regenwasser-Zisternen noch randvoll. Gestern konnten wir dann die Anlage und die tiefe Wasserleitung wieder reparieren. Die Kunst des Reparierens ist in Afrika eine Lebenskunst. Auch sie macht stark. Besonders in Zeiten der Not.
Wer ist stärker?
Joy und Susan üben sich im Armdrücken. Der kleine Michael, einer der jüngsten Schützlinge ist teils Zuschauer, teils Schiedsrichter. Und achten Sie auf ein Detail: die Kinder (uns sie stehen für alle Schützlinge) sind nach 14 Wochen Quarantäne mental und als Gemeinschaft vielleicht stärker denn je. Wenn die Redewendung «Steh auf – was Dich nicht umwirft, macht Dich stärker» irgendeiner Veranschaulichung bedarf, dann sehen wir sie an den Schützlingen in unserem kleinen Dorf. Sie wuchsen in diesen 14 Wochen über sich selbst hinaus. Sorgten solidarisch für sich und ihre ganze Lebens-Gemeinschaft.
So errangen sie einen Sieg des Wollens über das Müssen.



Sandalen für alle
Diese Woche haben unsere Kinder neue Sandalen aus alten Materialen für alle Mitglieder unserer Gemeinschaft produziert.



«If» – Ein liebevoller Brief eines Vaters an seinen jungen Sohn
Rudyard Kipling (1865 – 1936), Autor der «Dschungelbuch» und erster englischer Empfänger des Nobelpreises für Literatur, widmete seinem jungen Sohn 1895 ein liebevolles Gedicht über die Kraft aus der Haltung. Er verfasste das Gedicht in Kapstadt, Südafrika. Weil es so würdevoll von den Dingen spricht, die Afrika stark machen, will ich es hier zitieren – im Originaltext und in deutscher Übertragung.
«Wenn» (Deutsche Übertragung)
Wenn du den Kopf bewahrst, ob rings die Massen
Ihn auch verlieren und nach Opfern schrein;
Dir treu sein kannst, wenn alle dich verlassen,
Und dennoch ihren Wankelmut verzeih’n;
Kannst warten du und langes Warten tragen,
Läßt dich mit Lügnern nie auf Lügen ein;
Kannst du dem Hasser deinen Haß versagen
Und doch dem Unrecht unversöhnlich sein:
Wenn du kannst träumen, doch kein Träumer werden;
Nachdenken — und trotzdem kein Grübler sein;
Wenn dich Triumph und Sturz nicht mehr gefährden,
Weil beide du als Schwindler kennst, als Schein;
Kannst du die Wahrheit sehn, die du gesprochen,
Verdreht als Köder für den Pöbelhauf;
Siehst du als Greis dein Lebenswerk zerbrochen
Und baust mit letzter Kraft es wieder auf:
Wenn du auf eines Loses Wurf kannst wagen
Die Summe dessen, was du je gewannst,
Es ganz verlieren, und nicht darum klagen,
Nur wortlos ganz von vorn beginnen kannst;
Wenn du, ob Herz und Sehne längst erkaltet,
Sie noch zu deinem Dienst zu zwingen weißt
Und durchhältst, auch wenn nichts mehr in dir waltet
Als nur dein Wille, der “Durchhalten” heißt:
Kannst du zum Volke ohne Plumpheit sprechen,
Und im Verkehr mit Großen bleibst du schlicht;
Läßt du dich nicht von Freund noch Feind bestechen,
Schätzt du den Menschen, überschätzt ihn nicht;
Füllst jede unerbittliche Minute
Mit sechzig sinnvollen Sekunden an:
Dein ist die Erde dann mit allem Gute,
Und was noch mehr mein Sohn: Du bist ein Mann!
Mit herzlichen Grüssen
Burkhard Varnholt